Herta Müller: Atemschaukel - 3. Betrogene Heimkehrer

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Nicht weniger wichtig als die Zeit im Lager ist das Leben der Überlebenden, das dann folgte. Sie kehrten zwar in die Heimat zurück. Doch sie hatten die Heimat während des Lagerlebens „verzehrt“, so wie man auf einer langen Wanderung ein Stück Brot aufisst. Die vertrauten Dinge und Menschen waren ihnen fremd geworden und sie schaffen es nicht, sich wieder einzuklinken. Vielleicht hätten sie Hilfe gebraucht. Aber es gab keine Hilfe. Es gab nur die alten Erwartungen. Aber die Lagermenschen waren andere geworden. Auch Leo ist nach dem Lagerleben nicht mehr er selbst. Es besteht keine Hoffnung, dass er es je wieder werden könnte.

[Vorlesen S. 272 f.]

„Ich gehörte nicht ihnen und fehlte mir“: Damit bringt die Dichterin auf den Punkt die Nicht-Existenz von Heimatverlorenen, die in die Heimat zurückkehren, weil es nichts Anderes mehr gibt.

 

Der Held Leo lässt nichts unversucht. Er bringt es auf der Arbeit zu einem gewissen Erfolg, weil er mit seinen Händen 800 Nägel in der Stunde einschlagen kann. Doch die Realität der Lagers holt ihn ein. Gab es im Lager für eine Schaufel Kohle 1 Gramm Brot, so gibt es jetzt in der Kistenfabrik 1 Gramm Brot für 60 Nägel.

Als ihm dies bewusst wird, verliert Leo den Spaß an der Arbeit. Ähnlich ergeht es ihm mit der Liebe. Er kann sie nicht halten. Er wird von der Schlaflosigkeit heimgesucht:

[Vorlesen S. 33 ff.]

>> 4. Sprachliche Verwandlungskraft

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