Lesehilfen zum Glasperlenspiel - 4. Mögliche Anwendungen in der Praxis

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Wir Glasperlenspieler!

Es gibt ungeahnte, aber naheliegende Anwendungen des Glasperlenspiels. Sie bringen einen zum Träumen … Jeder von uns besitzt Fähigkeiten, die er nicht nur seinen Kindern und Familienangehörigen, sondern auch der Allgemeinheit zur Verfügung stellen könnte. Jeder von uns kennt Menschen, die wunderbare Pfleger sind; die mit der Erde umzugehen wissen; die gut putzen können, Meister sind im Organisieren, begnadete Erzieher, Köche undsoweiter undsofort.

Der Blick darauf wird leider durch das Geld verstellt. Doch es geht im Leben nicht nur um das Geldverdienenmüssen. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder Mensch irgendwann auch Geld damit verdienen wird, wenn er nur auf sich selber schaut und die Fähigkeiten in sich entwickelt, die er spürt, dass sie da sind.

Was für ein wunderbares Leben hätten wir alle miteinander, wenn jeder Mensch seine besonderen Fähigkeiten einbringen würde … Wir würden in Gemeinschaften zusammenleben, die ebenso viele Zentren wären für nützliche Aktivitäten. Es würde ein Geben und Nehmen entstehen und jeder Mensch würde anerkannt nicht für seinen Besitz, sondern für das, was er konkret für die anderen tut.

Im Grunde genommen sind Künstler solche Menschen. Sie verkörpern nicht nur das Schöpferische, sondern auch das Gebende. Ich weiß, es wird viel Theater um die Künstler gemacht und viele Künstler, die nicht verstehen, dass sie der Menschheit dienen, veranstalten ein unwürdiges Schauspiel um ihre Person. Es wird zu viel Aufhebens von der Person gemacht. Es müsste das konkrete Tun für die Allgemeinhait im Vordergrund stehen.

Hermann Hesse war ein solcher Künstler, der danach gestrebt hat,  der Menschheit zu dienen. Er hat nicht locker gelassen hat, als er erkannte, dass er ein Dichter ist. Welche Schwierigkeiten musste er nicht immer wieder von neuem überwinden! Die vielen Besucher aus Deutschland, Verfolgte und Bedrängte des Naziregimes, klingelten jeden Tag an seiner Haustür, obwohl Hesse einen Zettel daran angebracht hatte, dass man ihn von Besuchen verschonen solle. Die Not war riesig und in der Not überwindet man schnell die eigenen Bedenken … Dann die Augen, die nicht mehr so wie er wollten. Hesse konnte zur Zeit der Entstehung des Glasperlenspiels 1931 bis 1942 am Tag nur noch zwanzig Minuten lang lesen, dann musste er abbrechen. Er musste mit Zweifeln aller Art kämpfen, die ihn von der Vollbringung seiner größten Aufgabe: der Vollendung des Glasperlenspiels, abhalten wollten. Es gibt nur wenige Menschen, die verstanden haben, welche Opfer Hesse gebracht hat, um der Menschheit Das Glasperlenspiel zu schenken. Einer von ihnen war Rudolf Pannwitz.  Der Brief Hesses an ihn aus dem Jahr 1955 gehört zum Bewegensten, was ich von Hesse gelesen habe. Er ist in dem Materialienband zum Glasperlenspiel Seite 293 ff. abgedruckt.

Es gibt also immer wieder Ausreden, Zweifel und Behinderungen aller Art. Unser eigenes auf Geld und Erfolg konzentriertes Denken ist meiner Meinung nach die größte Behinderung. Wir fragen nicht: wie kann ich mich nützlich machen, sondern, wieviel Geld erhalte ich dafür., Entkleidet man Hesses Glasperlenspiel vom literarischen Gepräge, steht unter dem Strich die simple Botschaft: Suche dich nützlich für andere Menschen zu machen und folge dabei der Stimme deines Innern (nicht: opfere dich auf!). Dann kommt der Tag, wo du rein und groß vor dir selbst und im Licht Gottes dastehst. Aber bau  nicht auf die Anerkennung durch die Mitmenschen. Wenn du danach schielst, bist du verloren.

© Johannes Heiner 2009

 

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