Wer war Orpheus?

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Orpheus ist der bekannteste Sänger und Dichter des Altertums. Er vereint alle Heilkünste in einer Person. Er war Astrologe, Arzt und Priester. Die Sehnsucht des modernen Menschen projizierte die verlorene Ureinheit auf ihn. Auch für Rilke war er ein „Gott“, der vieles vermochte, was wir heute nicht mehr können, weil unsere Kräfte spezialisiert und vereinseitigt worden sind.

 

Orpheus wurde in einer Höhle in Thrazien geboren und er kehrte nach dem Verlust von Eurydike in diese Höhle zurück. Er ging der Sage nach aus einer Verbindung des Gottes Apoll mit der Muse Kalliope hervor. Er ist ein Halbgott, von seinem Vater und seiner Mutter mit besonderen „musischen“ Fähigkeiten ausgestattet. Apoll schenkte ihm eine siebensaitige Leier, die er kraft seiner eigenen musikalischen Begabung um zwei Seiten erweiterte. Wenn er sang, zupfte er dazu die Leier. Wir können uns diese Leier wie eine kleine Harfe vorstellen, die auf dem Arm getragen wird. Das Leierspiel des Orpheus berührte die Herzen der Menschen, Tiere, Bäume und Steine. Die Bäume folgten ihm, wenn er spielt und die Tiere verfielen in Schweigen, um besser zuhören zu können (nach den „Metamorphosen“ des Ovid).

 

Orpheus hat in Ägypten Theologie, Heilkunst und Astrologie studiert Er entdeckte die Harmonie der Sphären und er vermutete, dass der Mond bewohnt wäre. Er beschäftigte sich mit Kräuterheilkunde.

 

Zurück in Griechenland, schloss er sich den Argonauten an. Jason führt den Zug an, und Orpheus vollbrachte einige Wunder, die den Zug vor dem Verderben retteten. Er schläferte den Drachen ein, der das viel begehrte goldene Vlies bewachte. Mit seiner Musik konnte er verhindern, dass die Mannschaft von den Sirenen ins Verderben gestürzt wurde.

 

Orpheus verliebte er sich in die Nymphe Eurydike. Eine „Nymphe“ ist ein weiblicher Naturgeist, der mit besonderen magischen Fähigkeiten ausgestattet ist. Man kann davon ausgehen, dass die tiefe Bindung von Orpheus an Eurydike übermenschlicher Liebe entsprungen ist.

 

Eurydike wurde nach der Hochzeitsfeier mit Orpheus von einer Schlange gebissen und starb. Orpheus war untröstlich. Er irrte umher und dichtete Klagelieder. Er sang vor Bäumen und Tieren in der Wildnis. Die Oper von Christoph Willibald Glück zeigt ihn, wie er im Wechsel mit dem Chor um Eurydike klagte. Das erste der „Sonette an Orpheus“ bringt ihn uns ebenfalls als klagender Sänger nahe. Dann allerdings wandelt sich die Klage zum Rühmen als einer überlegeneren positiven Haltung.

 

Orpheus folgte seiner geliebten Frau in den Tartaros, die Unterwelt der Griechen. Doch Hades und Persephone, die Herrscher der Unterwelt, stellten sich ihm in den Weg. Kein Sterblicher durfte den Tartaros betreten. Es gelang Orpheus, sie dazu zu bewegen, seinem Spiel zuzuhören. Sie erweichten sich und ließen ihn unter der Bedingung ein, dass er sich nicht nach ihr umdrehen dürfe. Eurydike folgte ihm durch die dunklen Gänge der Unterwelt. Sie hielt sich an die Klänge seiner Leier. Doch die Sehnsucht von Orpheus wuchs Schritt um Schritt, ins Unermessliche. Er dreht sich um und verlor sie zum zweiten Mal.

 

Orpheus zog sich in seine Höhle zurück und klagte Klagen über Klagen. Sein Zaubergesang zog die Mänaden an, in der Wildnis lebende Frauen, die der Schicksalsgöttin, aber vielleicht auch dem Gott Dionysos dienten. Sie wollten sich mit ihm paaren, doch er blieb seiner Eurydike treu. Die verschmähten Frauen töten Orpheus mit Steinen und Wurfgeschossen. Sie versenkten seine Glieder in Flüssen und Schluchten der Umgebung. Allein sein Kopf und die Leier fanden nach Lesbos. Die Einwohner von Lesbos begruben ihn in Ehren. Orpheus und Apoll bedankten sich bei ihnen, indem sie ihnen den Kult der Musik schenkten. Auf der Grabesstätte wurde später ein Tempel erbaut, der den orphischen Mysterien geweiht war. An dieser Stelle führt das Stichwort „Orphik“ weiter. Die Leier des Orpheus ist eines der alten Sternbilder am Himmel. Es bewahrt die Erinnerung an den göttlichen Gesang des Orpheus.

 

Es gibt mehrer Versionen des Todes von Orpheus. Sie werden z.B. von http://www.katharinen.ingolstadt.de/projekte/kglatein/2001-02-10b/Orpheus2.htm im Internet dargestellt.

 

In Rilkes Dichtung taucht das Orpheus-Motiv bereits 1907 mit dem Gedicht „Orpheus, Eurydike und Hermes“ auf. Der Gott Hermes, rechts im Bild, hat das Paar durch die Unterwelt geführt. Rilke hat das Grabmal in Paris, Rom und Neapel bewundert.

 

 

Johannes Heiner im November 2012